24.4.2025 – Mit der Teilrevision des VAG wurde in den Artikeln 39a ff. (7. Abschnitt) neu die «qualifizierte Lebensversicherung» gesetzlich geregelt. Qualifizierte Lebensversicherungen sind primär anteilsgebundene Lebensversicherungen, bei denen also der Sparteil individuell angelegt wird (z.B. im Rahmen einer Fondspolice). Damit kommt der Versicherungsnehmer in den Genuss von Renditechancen, trägt aber auch das Anlagerisiko.
Zur Erinnerung: Vor rund 20 Jahren erlitten Kundinnen und Kunden teils erhebliche Vermögensverluste in der Folge der Dotcom-Blase (Börsenbaisse 2002/2003) und der Finanzkrise (2008). Vorallem die Erfahrungen aus der Finanzkrise führten dazu, dass in der Schweiz das Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG erarbeitet und im Jahr 2020 in Kraft gesetzt wurde. Dies zum besseren Schutz der Anleger.
Aus den selben Überlegungen wurde dieser 7. Abschnitt (Die qualifizierte Lebensversicherung) in der Teilrevision des VAG aufgenommen und per 2024 in Kraft gesetzt. Ein Grossteil des Wortlauts in den VAG Art. 39a ff. sind dem FIDLEG entnommen. Dabei sind wichtige Pflichten wie die Erstellung und Abgabe eines Basisinformationsblatts, Informationspflichten, Regelungen zur Werbung, Angemessenheitsprüfung und Dokumentation sowie Rechenschaft geregelt worden.
All diese neuen Verhaltenspflichten können nur dann gelebt werden, wenn auch die Berater*innen (bzw. Versicherungsvermittler*innen) über die nötigen Kenntnisse verfügen. Die gesetzliche Grundlage ist hier in VAG Art. 43, Abs. 1 gegeben: «Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler müssen über die für ihre Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen.»
Aus unserer Sicht gehören zu diesen «notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse» nebst dem soliden Fachwissen über das Instrument der Lebensversicherung im Generellen auch die Kenntnisse über die Verhaltensregeln und die Kapitalanlagen. Schliesslich werden die Sparprämien an den Finanzmärkten angelegt und die Kunden tragen die entsprechenden Anlagerisiken. Gerade bei diesen Versicherungsprodukten müsste der Kundenschutz am höchsten sein. Dazu gehört eine professionelle Information und Aufklärung über Anlagechancen und -risiken. Längst bieten Versicherungsgesellschaften nicht mehr nur einfachere Fondspolicen an. An die Versicherungsvermittler*innen müssen somit höhere Kenntnisanforderungen gestellt werden, welche heute vermutlich längst nicht jede/r Versicherungsberater/in erfüllt.
In der bisherigen Ausbildung zum/zur Versicherungsvermittler/in VBV fehlte die Wissensvermittlung zum Anlagegeschäft eigentlich gänzlich, obwohl Fondspolicen seit über 30 Jahren verkauft werden. In den Mindeststandards wurde dies als Thema aufgenommen und es ist zu hoffen, dass dies im Rahmen der Zulassungsprüfungen dann auch wirklich Thema sein wird. Was ist aber mit den mehreren tausend Versicherungsvermittler/innen, die heute bereits aktiv sind und die neuen Zulassungsprüfungen nicht werden ablegen müssen? Wie wird deren Kenntnisstand sichergestellt? Etliche von ihnen haben eine höherwertige Ausbildung wie das Diplom zum Finanzberater oder zur Finanzberaterin abgeschlossen und wurden seriös im Thema der Kapitalanlagen geschult – bei den meisten Versicherungsvermittler/innen ist dies aber nicht der Fall (mit künftigem Profil Allbranche oder Leben).
Bei der Einführung des FIDLEG wurde von den Finanzinstituten verlangt, dass die Berater und Beraterinnen aufgrund des Art. 6 ausgebildet werden müssen. So haben denn auch die Banken und viele andere Akteure damals ihr Personal zu den neuen Verhaltenspflichten ausgebildet. Die unabhängigen Berater und Beraterinnen mussten sich zudem in einem der von der FINMA anerkannten Beraterregister eintragen und auch einen Kenntnisnachweis (anerkannte Ausbildung) über das Fachwissen und die Verhaltensregeln nach FIDLEG einreichen.
Wir hätten eigentlich erwartet, dass mit der Einführung der Qualifizierten Lebensversicherung eine ähnliche «Nachschulung» gefordert wird. Wir gehen aber nun davon aus, dass dies im Rahmen der Rezertifizierungsprüfungen des VBV erfolgen wird. Dies erachten wir aus Sicht des Konsumentenschutz als sehr dürftig. Aus Sicht der Versicherungsnehmer (Privatkunden) lauern die grössten Verlustrisiken in den Qualifizierten Lebensversicherungen.
Die aktuellen Börsenturbulenzen zeigen die Wichtigkeit des Themas auf. Sollte sich die aktuelle Lage zu einer veritablen Börsenbaisse ausweiten, werden viele Kunden und Kundinnen erhebliche Vermögensverluste mit bestehenden anteilsgebundenen Lebensversicherungen erleiden. Daran kann auch eine Nachschulung nichts ändern, aber die seit gut einem Jahr gesetzlich verankerten Anforderungen an den Kenntnisstand aller Versicherungsvermittler und -vermittlerinnen (nicht nur der Neuen ab Herbst 2025) könnten damit erfüllt werden.